Frauen denken anders

Eine Ausstellung über Philosophinnen im Rotebühltreff

Von Rolf Spinnler

"Erinnern wird sich so manch ‘einer noch an uns", soll die griechische Dichterin Sappho um sechshundert vor Christus gesagt haben. Unter dieses Motto haben acht Frauen unter der Federführung von Annegret Stopczyk eine Ausstellung über Philosophinnen gestellt, die jetzt im Treffpunkt Rotebühlplatz zu sehen ist. Gut zwei Dutzend "Liebhaberinnen der Weisheit" von der Antike bis zur Gegenwart werden dabei mit Leben und Werk vorgestellt. Als Philosophinnen verstehen die Ausstellungsmacherinnen all jene Frauen, "die seit der Antike selber denken und sich mit ihren Gedanken öffentlich bemerkbar machen, um Einfluss zu nehmen auf das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen". Die Lyrikerin Sappho sei eine solche Denkerin gewesen; sie eröffnet daher den Reigen, der über prominente und vergessene Namen von der Antike übers Mittelalter und die Renaissance bis zur Postmoderne reicht.

Man macht da etwa die Bekanntschaft von Aspasia von Milet, der Rhetoriklehrerin von Sokrates und Geliebten des Staatsmanns Perikles, die im Athen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts den ersten philosophischen Salon eröffnete. Von den mittelalterlichen Mystikerinnen Hildegard von Bingen und Mechthild von Magdeburg führt die Zeitreise zu den Frauenrechtlerinnen des 19. Jahrhunderts und den Lebens- und Sexualreformerinnen um 1900, bis sich das Bild im zwanzigsten Jahrhundert dann breiter auffächert. Rosa Luxemburgs revolutionärer Marxismus, Simone Weils abenteuerlicher Weg von der Sozialkritik zur Mystik, Hannah Arendts Totalitarismuskritik und Simone de Beauvoirs existenzialistischer Feminismus zeigen hier verschiedene Möglichkeiten weiblichen Philosophierens auf.

Es scheint aber doch einige Themen zu geben, zu denen sich die Denkerinnen stärker hingezogen fühlen als ihre männlichen Kollegen; der Pazifismus gehört dazu und natürlich das Geschlechterverhältnjs. Auch eine größere Realitätsnähe macht sich bemerkbar: wo die Männer über Gott und die Welt spekulieren, halten sich die Frauen eher - wie etwa die Ungarin Agnes Heller - an das philosophisch noch wenig gewürdigte Alltagsleben. Die Universitäten stehen seit knapp hundert Jahren auch Studentinnen offen, aber wenn eine Philosophin sich dort um eine Professur bewirbt, muss sie wie die 1941 geborene Annemarie Pieper häufig die Frage hören: "Wie können Sie verantworten, einem Mann mit Familie die Stelle wegzunehmen?" Pieper konnte es verantworten und ist seit 1981 Philosophieprofessorin in Basel.

Die Männer fehlen in der Ausstellung trotzdem nicht. Viele der porträtierten "Liebhaberinnen der Weisheit" haben ihr Werk in produktiver Auseinandersetzung mit den männlichen Meisterdenkern geschaffen: Hannah Arendt und Martin Heidegger, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, Agnes Heller und Georg Lukacs sind die Traumpaare der Philosophiegeschichte. Das gilt selbst noch für die Theoretikerinnen des Postfeminismus, die sich beharrlich an Jacques Lacan und Michel Foucault abarbeiten. Judith Butler, die Madonna der Gender Studies, und der heilige Michel reichen sich hier die Hand zum lesbisch-schwulen Ehebund im Geisterreich der Philosophie.

Die Ausstellung endet am 28. August um 19 Uhr mit einer Finissage, bei der Annegret Stopczyk ihr Konzept erläutern wird.